Mit Bildern Bilder überlisten – Synthetisches Sehen
... Malerei hat etwas mit Selbstbefriedigung zu tun. Emotional kommt das zurück, was man investiert. Jasper Johns hat eines seiner Werke Skin betitelt. Auch für Felix Brunner ist Malerei ein sinnliches sich Herantasten an die Wirklichkeit. Eine Illusionszerstörung, die nur dann gelingt und die nur dann zu neuen Emotionen führt, wenn man Illusionen beim Namen nennt, sie malt und damit bannt. Aus dieser Warte hebt sich das Gemälde als in sich geschlossene, selbstreferentielle Entität auf. Es lebt von den Projektionen - des Malers und der Betrachter - und lässt diese Vorstellungen gleichzeitig durchsichtig werden. Es ist ein Spiegel mit blinden Stellen, die, sollen sie Durchblicke ermöglichen, geputzt werden müssen. Geputzt von unseren Projektionen, um so den gespiegelten Einzelelementen die Gelegenheit zu geben, sich vor einem veränderten Hintergrund neu zusammenzusetzen.
Jean Baudrillard hatte unsere Zeit als die Zeit nach den Worten bezeichnet. Botho Strauß schreibt von der "Beginnlosigkeit" und stellt die Frage: "Wie kann der Mensch mit der Erkenntnis der absoluten Beginnlosigkeit, die eine Beginnlosigkeit nicht nur der Schöpfung, sondern, davon ausgestreut metastatisch ins Geäder des Bewusstseins, eine Beginnlosigkeit von allem und jedem sein muss - wie kann er in einem solchen Erkenntnisstand sich und die Welt erleben und welche Folgen hat dies unweigerlich für alles und jedes?"
Felix Brunners Werke gehen zwar von existierenden Worten und Bildern aus, doch zeigen sie auf, dass die Grammatik, die Strukturen, durch welche sie zusammenhängen, lose sind und individuell immer wieder neu geschaffen werden müssen. Die Forderung nach einer Universalisierung der Sprache reduziert diese immer mehr auf ein Set von frei kombinierbaren Vokabeln und Piktogrammen. Doch die Aura eines Wortes, die Vorstellungen, welche sich damit verbinden, sind individuell verschieden und können nur aus dem Zusammenhang erahnt werden. Inwieweit sind daher Worte oder Bilder überhaupt übertragbar? Inwieweit beschreibt und tapeziert damit nicht jeder einzelne seine eigene Welt? ...
(1993)